Sie ist eine schöne, erfolgreiche Frau. Gut ausgebildet und reflektiert. Berufstätig.

Ihr Mann hat sich einer anderen zugewandt. Die Trennungsverhandlung steht kurz bevor.

Es geht darum, wer mit den Kindern im Haus bleiben darf. Vorerst für die Trennungszeit.
Er sieht eigentlich nicht so richtig ein, warum er ausziehen müsste. Es könnte ja alles bleiben wie schon immer. Beide arbeiten, teilen sich die Hausarbeit so gerecht es halt in Schweizer Familien üblicherweise ist. Sie bringt am Abend die Kinder ins Bett und er geht aus.
Nur, dass jetzt noch eine weitere Frau Teil des Systems ist. Naja, so eng muss mann das ja nicht sehen…

Sie findet es himmelschreiend, wie er sich benimmt. Sie erkennt ihn nicht mehr und kann die andauernden Erniedrigungen, Beleidigungen und öffentlichen Herabsetzungen kaum mehr ertragen. Die Kinder sind verstört und benehmen sich so, wie Teenager Kinder es eben tun. Und sie versuchen krampfhaft unparteiisch zu sein. Ein Ding der Unmöglichkeit.

So sitzt also diese Frau auf dem Sessel und kämpft gegen ihre Gedankenflut und Gefühle.
Die Zuversicht wohnt gerade in einer winzigen Ecke in ihr. Schliesslich ist das Prozessrisiko recht hoch, sagt die Anwältin.
Sie schläft nicht mehr. Die Existenzangst, wie es denn finanziell weiter geht, frisst sich durch die Knochen. Die Angst vor dem Nichtgehört werden würgt die Kehle zu. Die Sorge um die Kinder erdrückt das stakkato klopfende Herz. Sie fühlt sich klein, unsicher und unwichtig. Ganz wie schon als Kind. Ein Blick auf ihre erfolgreiche berufliche Karriere hilft auch nicht weiter. Wie soll sie das alles durchstehen?

Nach der Logosynthese kann sie sich wieder aufrichten und tief durchatmen.

Der Richter wird wohl auch nur ein Mensch sein. Er macht das jeden Tag und kennt seine Kostgänger. Es wird das Bestmögliche passieren.

Und so war es auch.